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Das herausragende Abfallprodukt der Weltraumforschung ist nicht eine Technologie, sondern dass wir zum ersten Mal in der Lage waren, die Erde von draussen zu sehen - und dadurch angeregt wurden, neue Fragen zu stellen (James Lovelock)

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Sagen Sie, ist Ihnen der alte Popov schon einmal begegnet? Nein, nicht auf der Straße, denn das wäre für alle Beteiligten zu einfach.

Dank seiner Fähigkeiten finden Sie ihn nicht nur am Boden der Realität - oder vielleicht erst recht dort. Er, zeitlebens als Schmied tätig, ist zum umgänglichen Einzelgänger geworden; er steigt aufs Dach, breitet die Flügel - pardon, natürlich nur seine Arme - aus und erhebt sich unter Anweisung eines Vogels in die Lüfte.

Und wer fliegen kann ist auch bei den Fischen zuhause, ohne dabei im geringsten ans Luftholen denken zu müssen.

Janosch, der traumhafte Geschichtenerzähler aus dem süddeutschen Raum hat diesen Popov ins Leben gerufen und, wie es Schöpfern gläubigerweise zugestanden wird, ihm dadurch neue Sichtweisen angedeihen lassen.

Die Ausgangsposition ist einfach und bescheiden. Ein abgelegenes kleines Häuschen am Waldrand ist das Daheim einer Lebensgemeinschasft von Mensch und Tier. Sie alle brauchten nicht viel zu sagen. Nur Belangloses, Alltagsärger. Denn wo alle zusammen wohnten, war alles in Ordnung. Und Popov verstand die Sprache der Tiere, wusste all die Zeichen zu deuten und konnte sich tierisch wunderbar verständigen. Ein bescheidener alter Mann, den sein erster Flug zu einem königlichen Luftschloß (!) führt. Schöner Flug, ist seine Reaktion.

Weitab jeglicher Sensationsgier zieht der vielleicht nicht erst im Alter melancholisch gewordene Popov immer wieder seine Kreise und beflügelt damit uns Leser solcher erweiterterr Einsichten.

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Dem Kleiber, Popov's Fluglehrer, haben wir nur halbherzig zugehört. Denn wie sollte es anders zu erklären sein, dass Fliegen mittlerweile die Faszination verloren hat, die eine derart erhobene Position zu bieten hat. Zurück in den hektischen Alltag, möglichst kurze Flugzeiten, die die Ungeduld, einen anderen Ort zu erreichen, auf ein Minimum drücken.

Doch schon im Jahre 1957 taucht ein weiterer Verbündeter des Kleibers auf. Die Polarhündin Laika ist das erste Säugetier, das einen Raumflug übersteht und somit uns Menschen die Schwerelosigkeit im Weltraum als erträglich annehmen lässt. Das Luftschloss, das Juri Gagarin nun als kosmischer Pionier zu sehen bekommt, erscheint ihm neu und unbekannt. Er und alle weiteren Kosmonauten, die schon da oben waren, diese Distanz und Losgelöstheit am eigenen Leib verspürt haben, lassen auch uns Ahnungslose einiges an Erlebtem erahnen. Zusammengefasst im Begriff Overview-Effect verbirgt sich eine Erfahrung, die unser noch immer gehütetes geozentrisches Denken einschneidend in Frage stellt, nach neuen Maßstäben verlangt.

Neben der unglaublichen Schönheit, die den Planeten für den Kosmonauten Ronald McNair in eine köstliche Oase verwandelt, bei der einem warm ums Herz wird, macht sich die Erkenntnis von der Einheit und wechselseitiger ökologischer Abhängigkeit breit. Man beginnt zu begreifen, dass, aus dem Weltraum gesehen - weder soziale, noch politische Grenzen existieren. Eine neue Sensibilität gegenüber irdischem Verhalten entsteht, unsere Häuslichkeit wird über Bord geworfen, neue Bezugspunkte werden erarbeitet.

Meine korrespondierenden Versuche, solche Distanzen aus dem Wissen/Erahnen entstehen zu lassen, sind natürlich nicht problemlos zu bewältigen. Nur minimal verfügbares authentisches Bildmaterial zeigt aus diesem Blickwinkel die Tendenz des Ausweichens auf. Basierend auf militärischen Beweggründen werden die mit freiem Auge kaum erkennbaren Nuancen der Struktur durch technische Massnahmen in der Farbigkeit überhöht, leichter erkennbar gemacht. Gegenüber dem visuellen Erleben eines Kosmonauten sind bereits Veränderungen vorhanden, die eine Verfälschung des emotionell möglichen Sicht zur Folge haben.

Verfremdung verursacht Distanz, ein Zurückweichen vor dem technologiefreien und daher unmittelbaren Erleben.

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Schmerzhaft wird die Erkenntnis mit zunehmender Entfernung. Denn fällt es schon aus dem Orbit schwer, Beweise menschlicher Existenz auf dem Planeten wahrzunehmen, wird es aus noch weiterer Entfernung fas unmöglich. Betrachtet man die Erde als Ganzes, kann man menschliches Wirken nicht entdecken. Bei allem Stolz auf unsere Leistungen: Aus der Perspektive des Universums sind wir ebenso unsichtbar wie Mikroorganismen in einem Tropfen Wasser.

Diesem neuen Zwiespalt von Geborgen- und Verlorenheit trägt meine malerische Umsetzung Rechnung. Bilder entstehen aus Überlagerung von Strukturen; weiche Übergänge, atmosphärisches Empfinden wollen sich nur zeitweise einstellen. Ein Bruch zur Malweise meiner Flug- und Wasserbilder ist unmittelbar festzustellen. Vielleicht ist dies ein richtiger Weg, ein intuitiv entsprechendes Erfassen von Vorstellungen, die dann, wenn wir sie tatsächlich erleben können, mit Sicherheit weit über unsere Vorstellungskraft hinausweisen. Sowohl für intellektuelle als auch emotionelle Sprengkraft ist gesorgt.
 
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